Cortisol und Knochen – Freunde oder Feinde?
Bei Glukokortikoid-Therapie von Anfang an der Osteoporose vorbeugen
62. Deutscher Kongress für Endokrinologie vom 20. bis 22. März 2019 in Göttingen
Göttingen, März 2019 – Knochenzellen brauchen Cortisol. Allerdings kann ein Zuviel an Glukokortikoiden einen Knochenschwund begünstigen. Mediziner sprechen von sekundärer Osteoporose, wenn diese die Folge anderer Erkrankungen oder von Medikamenten ist. Ein Knochenabbau infolge einer Glukokortikoid-Therapie ist die häufigste Ursache für die sekundäre Osteoporose. In Deutschland sind davon schätzungsweise 300 000 der insgesamt sechs Millionen Osteoporose-Patienten betroffen. Welche neuen Forschungserkenntnisse es zum Verhältnis von Cortisol und Knochen gibt und was diese für die Therapie der Osteoporose bedeutet, diskutieren Experten auf der Pressekonferenz des 62. Kongresses für Endokrinologie (20. bis 22. März 2019) am Mittwoch, den 20. März 2019 in Göttingen.
Das Stresshormon Cortisol ist ein Steroidhormon, das Knochenzellen brauchen, um sich zu differenzieren. Bei Patienten, die aufgrund einer entzündlichen Erkrankung wie Rheuma, Autoimmunerkrankungen oder Allergien Kortison in hohen Dosen einnehmen, kann das eigentlich lebenswichtige Hormon zu einem krankhaften Knochenschwund führen. „Die Kortison-induzierte ist die bedeutendste einer durch Medikamente hervorgerufenen Osteoporose. Schon nach wenigen Monaten Therapie kommt es zu einem verstärkt einsetzenden Knochenabbau“, sagt Professor Dr. med. Heide Siggelkow, DGE-Kongresspräsidentin und Ärztliche Leiterin MVZ ENDOKRINOLOGIKUM Göttingen. Bei einer sich über mehrere Jahre erstreckenden Behandlung mit Kortison erleiden etwa 50 Prozent der Patienten eine manifeste Osteoporose mit zahlreichen Knochenbrüchen.
Wenn man sich einen gesunden Knochenstoffwechsel als dynamisches und ausgeglichenes System zwischen Knochenauf- und -abbau vorstellt, bewirkt Kortison das Gegenteil. „Die Wirkung des Kortisons auf den Knochen ist vielfältig. Es stimuliert insbesondere zu Beginn der Therapie den Knochenabbau und gleichzeitig unterdrückt es langfristig den Knochenaufbau. Die Folge ist ein starker und schnell voranschreitender Knochenschwund“, erklärt Siggelkow. Besonders davon betroffen sei vor allem der schwammartige Knochen: Brüche träten daher bevorzugt im Bereich der Wirbelkörper auf, aber auch Rippen und Oberschenkel können im Weiteren betroffen sein.
Ab welcher Dosis eine Glukokortikoid-Gabe für den Knochen schädlich ist, lässt sich nach Meinung der Expertin nicht sagen. „Wir wissen aber, dass bereits nach wenigen Monaten auch bei einer niedrig dosierten Therapie nachweislich ein signifikant erhöhtes Frakturrisiko besteht“, so Siggelkow. Behandelnden Ärzten rät sie daher, vor jeder Therapie eine individuelle Risiko¬abklärung mit dem Patienten vorzunehmen. Zeitgleich mit dem Beginn der Glukokortikoid-Therapie sollten medikamentöse Maßnahmen zur Vorbeugung ungünstiger Effekte auf die Knochenfestigkeit starten und bis ein Jahr über das Therapieende hinaus fortgeführt werden. „Das wird in der Praxis oft nicht so gehandhabt. Meist wird erst gehandelt, wenn die Knochendichte bereits stark abgenommen oder der Patient sogar einen Bruch erlitten hat. Oder die Therapie wird direkt mit Ende der Glukokortikoidgabe beendet, obwohl das Bruchrisiko über ein Jahr danach noch erhöht bleibt.“ Hier sei bei den Behandelnden mehr Aufklärung nötig, so die DGE-Kongresspräsidentin, die auch ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördertes Forschungsprojekt zu Cortisol und Knochen durchführt.
Wie solche vorbeugenden Maßnahmen aussehen können, erklärt Professor Dr. med. Matthias M. Weber, Mediensprecher der DGE aus Mainz: „Eine Möglichkeit, die schädliche Wirkung des Cortisols zu bremsen, ist die Gabe von Infusionen mit Bisphosphonaten, kombiniert mit Vitamin D und Kalzium.“ Eine weitere zugelassene Substanz ist Teriparatid, das den Knochenaufbau fördert. Der Patient spritzt es sich täglich selbst unter die Haut. Eine weitere Alternative ist auch die Therapie mit Denosumab, welches zwei Mal im Jahr appliziert wird. „Nur bei regelmäßiger Anwendung sind diese den Knochen schützenden Medikamente wirksam“, ergänzt Weber. Die sogenannte Adhärenz („Therapietreue“) sei von großer Wichtigkeit, damit die Medikamente die negative Knochenbilanz unter Glukokortikoiden vermeiden. Wichtig sei auch, dass die Medikation bis ein Jahr nach Ende der Glukokortikoid-Therapie fortgesetzt wird, da das Bruchrisiko auch nach Absetzen noch erhöht ist.
Terminhinweise
Pressekonferenz
anlässlich des 62. Deutschen Kongresses für Endokrinologie der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE)
Termin: Mittwoch, 20. März 2019, 10:30 bis 11:30 Uhr
Ort: LOKHALLE Göttingen, Raum „Die Göttinger Sieben“
Anschrift: Bahnhofsallee 1B, 37081 Göttingen
Programm der Pressekonferenz (PDF)
S3: Cortisol und Knochen: Freunde oder Feinde?
Vorsitz: Ulrike Baschant, Martin Reincke
Termin: Mittwoch, 20. März 2019, 16:15 bis 17:45 Uhr
Ort: LOKHALLE Göttingen, Raum „Lichtenberg“
Anschrift: Bahnhofsallee 1B, 37081 Göttingen
Patiententag zum 62. Deutschen Kongresses für Endokrinologie
Kurzvorträge von: Dr. med. Caroline Bouter, Clemens Freiberg, Prof. Dr. med. Raddatz, Prof. Dr. med. Heide Siggelkow
Themen: Schilddrüse, Diabetes mellitus, Wachstumsstörungen im Kindesalter und Osteoporose
Termin: Samstag, 23. März 2019, 10:00 bis 12:00 Uhr
Ort: Universitätsmedizin Göttingen, Hörsaal 552
Anschrift: Robert-Koch-Str. 40, 37075 Göttingen
Eintritt frei. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Weitere Informationen unter: http://www.dge2019.de/patiententag.html
Weitere Informationen zum Kongressprogramm finden Sie unter www.dge2019.de
Kontakt für Journalisten
Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE)
Prof. Dr. med. Matthias M. Weber (Mediensprecher)
Dagmar Arnold, Friederike Gehlenborg
Postfach 30 11 20
D-70451 Stuttgart
Telefon: 0711 89 31-380
Telefax: 0711 89 31-167
arnold@medizinkommunikation.org, gehlenborg@medizinkommunikation.org
www.endokrinologie.net
www.hormongesteuert.net
www.dge2019.de
Endokrinologie ist die Lehre von den Hormonen, Stoffwechsel und den Erkrankungen auf diesem Gebiet. Hormone werden von endokrinen Drüsen, zum Beispiel Schilddrüse oder Hirnanhangdrüse, aber auch bestimmten Zellen in Hoden und Eierstöcken, „endokrin“ ausgeschüttet, das heißt nach „innen“ in das Blut abgegeben. Im Unterschied dazu geben „exokrine“ Drüsen, wie Speichel- oder Schweißdrüsen, ihre Sekrete nach „außen“ ab.