Endokrinologie und Diabetologie: Versorgungsengpässe sind vorprogrammiert – jetzt gegensteuern!

DGE und DDG fordern: Stellenwert der Sprechenden Medizin stärken

Berlin, Juni 2022 – Die Patientenversorgung in Endokrinologie und Diabetologie ist in Gefahr: Den steigenden Zahlen von Diabetes, Osteoporose, Schilddrüsenerkrankungen, Adipositas und vielen weiteren Stoffwechselerkrankungen stehen immer weniger Fachärzte gegenüber. Über die Ursachen und was jetzt getan werden muss, um die Versorgungslücken von morgen zu schließen, informierten Experten auf der gemeinsamen Online-Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) und der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) am Dienstag, den 28. Juni 2022.

Die sich abzeichnenden gravierenden Behandlungsengpässe in Endokrinologie und Diabetologie haben mehrere Ursachen: In Deutschland kann man an 37 staatlichen Universitäten Medizin studieren – doch lediglich an sieben Fakultäten gibt es eine eigenständige Klinik für Endokrinologie und Diabetologie. Auch an den knapp 1 900 Krankenhäusern werden immer mehr dieser Abteilungen geschlossen. „Als Vertreter der Sprechenden Medizin haben sie ein höheres Risiko, Verluste zu machen, und fallen dann eher dem wirtschaftlichen Druck zum Opfer“, sagt Professor Dr. med. univ. Michael Roden, Endokrinologe und Diabetologe. Sind diese Fachgebiete in Lehre und klinischer Versorgung unterrepräsentiert, fehlen nicht nur die Aus- und Weiterbildungsplätze. Sie fallen auch aus dem Radar des ärztlichen Nachwuchses: „Damit entscheiden sich immer weniger für eine Qualifizierung in dieser Fachrichtung.“ Ebenso trägt das zunehmende Alter der Ärzteschaft zur absehbaren Versorgungslücke bei: Soeben warnte der Marburger Bund, dass rund 22 Prozent der aktuell berufstätigen Ärzte in Klinik und Praxis nur noch wenige Jahre arbeiten oder kurz vor der Rente stehen. Damit gehen demnächst auch überproportional viele Endokrinologen und Diabetologen in den Ruhestand.

Die Patientenzahlen nehmen derweil laufend zu. Roden, der Vorstand des Deutschen Diabetes-Zentrums (DDZ) und Direktor der Universitätsklinik für Endokrinologie und Diabetologie in Düsseldorf, erläutert: „In Deutschland sind derzeit mehr als acht Millionen Menschen an einem Diabetes mellitus erkrankt. Wir gehen davon aus, dass es bis zum Jahr 2040 zwölf Millionen Menschen sein werden“. Auch Professor Dr. med. Stephan Petersenn, Mediensprecher der DGE aus Hamburg, nennt Zahlen zum Behandlungsbedarf: „In der Endokrinologie versorgen wir allein bei der Osteoporose schon jetzt mehr als sechs Millionen Betroffene.“ Von Schilddrüsenerkrankungen seien etwa ein Viertel aller Deutschen betroffen.
Die Coronapandemie habe schon jetzt ein Schlaglicht auf die langfristigen Konsequenzen reduzierter Versorgungskapazitäten geworfen, so Roden: „Wir konnten unsere Patientinnen und Patienten mit schwer behandelbarem Diabetes oder Komplikationen aus Personalmangel nicht in dem Umfang behandeln, wie es nötig gewesen wäre.“ Und er fährt fort: „Wie wird es wohl erst aussehen, wenn die Patientenzahlen weiter steigen?“

Der Wissenschaftsrat hat dazu umfangreiche „Empfehlungen zur künftigen Rolle der Universitätsmedizin zwischen Wissenschafts- und Gesundheitssystem“ erstellt (1). Sein „4-Säulen-Modell“ betrifft auch die Endokrinologie und Diabetologie. Demnach müsse unter anderem das Fächerspektrum der Medizin gesichert und weiterentwickelt werden. Dabei sieht der Wissenschaftsrat eine klare Verantwortung bei der Politik. Dem schließen sich die Experten von DDG und DGE an: „Die Bundesländer und der Bund sind gefordert: Jede Medizinische Fakultät braucht einen Lehrstuhl für Endokrinologie und Diabetologie und die Sprechende Medizin muss besser vergütet werden. Nur so können wir eine flächendeckende Versorgung auch morgen sicherstellen. Das sind wir unseren Patienten schuldig“, sagt DDG-Pressesprecher Professor Dr. med. Baptist Gallwitz vom Universitätsklinikum Tübingen. Zudem trage eine gut aufgestellte Hochschulmedizin zum medizinischen Fortschritt bei, ergänzt er.

Literatur

(1) Empfehlungen zur künftigen Rolle der Universitätsmedizin zwischen Wissenschafts- und Gesundheitssystem:
https://www.wissenschaftsrat.de/download/2021/9192-21.pdf

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