Prädiabetes: Typ-2-Diabetes beginnt Jahre vor Ausbruch schleichend
Vorstufen frühzeitig diagnostizieren und gegensteuern
Altdorf/Berlin, 26. Januar 2024 – Typ-2-Diabetes entwickelt sich in der Regel über viele Jahre, ohne dass die Betroffenen Symptome verspüren. Rechtzeitig erkannt, kann das Risiko für den Ausbruch eines Diabetes mellitus mit einer Lebensstiländerung jedoch um 40 bis 70 Prozent gesenkt werden, sagen die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie e.V. (DGE) und die Deutsche Diabetes Gesellschaft e.V. (DDG). Tatsächlich lässt sich durchschnittlich schon 12 Jahre vor der Diabetesdiagnose eine verminderte Insulinwirkung (Insulinresistenz) im Blut feststellen. Kommt es dann auch noch zu einer Abnahme der Insulinfreisetzung aus der Bauchspeicheldrüse, steigen auch die Blutzuckerwerte an. Dieser Zustand, bei dem die Blutzuckerwerte erhöht sind, aber noch nicht die Diabeteskriterien erfüllen, wird auch als Prädiabetes bezeichnet. Er geht mit einem gesteigerten Risiko einher, an Typ-2-Diabetes zu erkranken. Der mit Prädiabetes verbundene leicht erhöhte Blutzuckerspiegel hinterlässt bereits bleibende Schäden im Körper, etwa an Nieren, Nerven und Gefäßen. Diabetesrisikotests weisen schon im Frühstadium auf ein erhöhtes Risiko hin. Die DGE und DDG raten deshalb zu ihrem breiten Einsatz.
In Deutschland erkranken jährlich mehr als eine halbe Million Erwachsene neu an Diabetes. Aktuell leben etwa 8,7 Millionen Menschen mit dieser Erkrankung. Etwa 95 Prozent von ihnen haben einen Typ-2-Diabetes (1). Bei dieser Erkrankung reagieren die Körperzellen schlechter oder gar nicht mehr auf das körpereigene Hormon Insulin (Insulinresistenz). Somit gelangt weniger Zucker aus dem Blut in die Körperzellen und der Blutzuckerspiegel ist erhöht. Die Folgen der Stoffwechselerkrankung sind eine oft verkürzte Lebensdauer und verminderte Lebensqualität durch zahlreiche chronische Leiden etwa des Herz-Kreislaufapparats. „Ebenso besteht eine Anfälligkeit dafür, häufiger an Krebs sowie an Demenz zu erkranken“, sagt Professor Dr. med. Karsten Müssig von der DGE, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Gastroenterologie und Diabetologie am Franziskus-Hospital Harderberg der Niels-Stensen-Kliniken.
Schätzungsweise 20 von 100 Erwachsenen in Deutschland haben Prädiabetes
„Schätzungsweise 20 von 100 Erwachsenen in Deutschland und mehr als 10 Prozent der erwachsenen Bevölkerung weltweit (541 Millionen Menschen) leben mit Prädiabetes“, sagt Müssig, der auch Mitherausgeber der englischsprachigen Fachzeitschrift der DGE Experimental and Clinical Endocrinology & Diabetes und Vorstandsmitglied der DDG ist. Zu den Risikogruppen gehören Menschen mit Übergewicht, kardiovaskulären Erkrankungen, viel Bauchfett und Leberverfettung sowie Frauen, die in den Wechseljahren deutlich an Gewicht zugenommen haben. „Auch wenn man Verwandte ersten Grades hat, die an Typ-2-Diabetes leiden, sollte man wachsam sein“, sagt Müssig. „Jedes Jahr entwickeln 5 bis 10 Prozent der Menschen mit Prädiabetes einen Typ-2-Diabetes“, ergänzt er.
Durch rechtzeitige Lebensstilverbesserung Typ-2-Diabetes vermeiden
Das müsse nicht sein, findet der Endokrinologe und Diabetologe. Im Stadium des Prädiabetes lässt sich die Erkrankung nämlich häufig noch erfolgreich zurückdrängen: „Das Rezept besteht meist aus einer konsequenten Präventionsstrategie mit Abnehmen, deutlich mehr Bewegung und einer ausgewogener Ernährung“, so Müssig (2).
Einfache und kostengünstige Diagnose
Die Diagnose eines Prädiabetes ist einfach: „Ist das Diabetesrisiko erhöht, sollten die Nüchternglukose, der 2-Stunden-Wert im sogenannten oralen Glukosetoleranztest (oGTT) sowie der HbA1c bestimmt werden“, so Müssig. Das HbA1c spiegelt den durchschnittlichen Blutzuckerspiegel der letzten 2 bis 3 Monate wider.
Eine Insulinresistenz kann jedoch schon viele Jahre vor einem Anstieg des Blutzuckers vorliegen. Diese lässt sich durch die Bestimmung von Insulin und Glukose (Blutzucker) aus einer Nüchtern-Blutprobe ermitteln. Aus diesen Werten kann der HOMA-Index (Homeostasis Model Assessment) mit der Formel (Insulin (µU/ml) * Glukose (mg/dl)): 405 berechnet werden. „Bei einem Wert von mehr als 2,5 ist eine Insulinresistenz und damit ein erhöhtes Diabetesrisiko wahrscheinlich“, so Müssig. Der HOMA-Index wird bei Zyklusstörungen und Unfruchtbarkeit infolge des Polyzystischen Ovarialsyndroms (PCOS) regelhaft bestimmt. „Für jedermann und jederfrau besteht auch die Möglichkeit, das eigene Risiko erst einmal ganz unabhängig von einem Arzt mit etablierten Diabetesrisikotests mittels Fragebögen zu prüfen (3, 4).“
Präventionsmöglichkeiten nutzen: Risikopatienten frühzeitig identifizieren
„Angesichts der dramatischen Zunahme von Typ-2-Diabetes wäre es ein großer Fortschritt, wenn wir Menschen mit Prädiabetes frühzeitig identifizieren. Diabetesrisikotests sind einfache Screeningmethoden, Menschen mit einem erhöhten Risiko bereits vor dem Anstieg der Glukosespiegel zu erfassen“, fasst Professor Dr. med. Stephan Petersenn, Mediensprecher der DGE und Inhaber der ENDOC Praxis für Endokrinologie und Andrologie in Hamburg, zusammen. „Aktuelle Studien belegen, dass viele der von Prädiabetes Betroffenen von einer Lebensstilintervention profitieren. Dies sollten wir unbedingt nutzen“, ergänzt Professor Dr. med. Baptist Gallwitz, Vorstandsmitglied und Kongresspräsident 2024 der DDG aus Berlin.
Quellen
(1) https://www.ddg.info/ddg-factsheet
(2) Sandforth A, von Schwartzenberg RJ, Arreola EV, et al. Mechanisms of weight loss-induced remission in people with prediabetes: a post-hoc analysis of the randomised, controlled, multicentre Prediabetes Lifestyle Intervention Study (PLIS). Lancet Diabetes Endocrinol. 2023 Nov;11(11):798-810. doi: 10.1016/S2213-8587(23)00235-8. Epub 2023 Sep 25. Erratum in: Lancet Diabetes Endocrinol. 2024 Jan;12(1):e1. PMID: 37769677.
(3) Diabestes-Risiko-Selbsttest vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE):
https://drs.dife.de/
(4) Diabetes-Risiko-Selbsttest der Deutschen Diabetes Stiftung:
https://www.diabetesstiftung.de/gesundheitscheck-diabetes-findrisk
Interessenkonflikte
keine
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