Prolaktinom: modernes Therapiespektrum umfasst Medikamente und Operation - Tumorentfernung durch die Nase bietet in vielen Fällen eine sichere Alternative
Serie der DGE zu Tumoren der Hirnanhangdrüse: „Wenn die Schaltzentrale der Hormone entgleist“, Folge 1 von 4
Hamburg, Oktober 2021 – Bei der Behandlung von Prolaktinomen, gutartigen hormonbildenden Tumoren der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse), kann heute neben der Standardtherapie mit Medikamenten auch eine Operation in Betracht gezogen werden. Dies gilt nicht nur bei Unverträglichkeit der Medikamente oder bei nicht ausreichend möglicher Kontrolle des Hormonspiegels. Auch der Wunsch von Patientinnen und Patienten, nicht dauerhaft Medikamente einzunehmen, stellt heute ein wichtiges Argument für die Durchführung der OP dar. Durch einen schonenden Eingriff mit Zugang durch die Nase kann der gutartige Tumor der Hypophyse meist entfernt und die Patienten dadurch geheilt werden. Betroffene sollten über die Vor- und Nachteile beider Therapieoptionen Informationen erhalten, sagt die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). So könnten Ärzte die Behandlung bestmöglich auf die individuellen Wünsche und Bedürfnisse abstimmen.
Wenn der Zyklus ausbleibt und die Libido nachlässt, die Brust plötzlich Milch bildet und Frau trotz aller Bemühungen nicht schwanger wird, dann könnte ein Prolaktinom der Grund dafür sein. Prolaktinome sind gutartige Tumoren der erbsengroßen Hypophyse. Sie schütten das „Schwangerschaftshormon“ Prolaktin in die Blutbahn aus und führen zu einem erhöhten Prolaktinspiegel. Der häufigste Tumor der Hirnanhangsdrüse tritt bei etwa 25 bis 60 von 100 000 Menschen auf. Junge Frauen im gebärfähigen Alter sind am häufigsten betroffen. Sie leiden 5 Mal häufiger an der Störung als Männer (1).
Die jahrelange Einnahme von Dopamin-Agonisten kann Nebenwirkungen haben
„Die medikamentöse Behandlung mit sogenannten Dopamin-Agonisten stand viele Jahre im Vordergrund“, sagt Professor Dr. med. Stephan Petersenn, Pressesprecher der DGE und Leiter der ENDOC Praxis für Endokrinologie und Andrologie in Hamburg. Dopamin wird im zentralen Nervensystem gebildet und hemmt die Prolaktin-Ausschüttung. Dopamin-Agonisten sind Medikamente, die im Gehirn die Wirkung von Dopamin nachahmen und so den Mangel dieses Botenstoffs ausgleichen. „Dopamin-Agonisten wie Cabergolin und Quinagolid normalisieren nicht nur den Prolaktinspiegel“, sagt Petersenn. „In über 80 Prozent der Fälle führen sie auch zu einer Schrumpfung, manchmal bis zum Verschwinden des Prolaktinoms.“ Ein Nachteil sei die jahrelange Einnahme inklusive laufender Kontrolle des Prolaktinspiegels. Zudem vertragen nicht alle Patienten die Medikamente, insbesondere Nebenwirkungen auf das psychische Befinden wurden nach aktuellen Studien bei der Langzeittherapie wohl unterschätzt. „Daher sollte heute auch eine OP in Betracht gezogen werden“, rät Petersenn.
Risikoarme Alternative: Entfernung des Tumors durch die Nase
„Mit der operativen Entfernung des Prolaktinoms durch die Nase, der transsphenoidalen Operation, steht eine risikoarme Alternative zur medikamentösen Behandlung zur Verfügung“, sagt Professor Dr. med. Jürgen Honegger, stellvertretender Ärztlicher Direktor und Leiter Hypophysenchirurgie an der Neurochirurgischen Klinik des Universitätsklinikums Tübingen. Die Operation könne insbesondere bei gut abgegrenzten, kleineren Prolaktinomen angeboten werden. Sie führe häufig zu einer Heilung der Erkrankung. Dies zeigten auch aktuelle Studienergebnisse aus Tübingen (2): In einer retrospektiven Studie, publiziert im gemeinsamen Fachjournal der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie und der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), wurde der Stellenwert der transsphenoidalen Operation anhand einer operativen Serie von 162 Patienten untersucht. Bei 49 Prozent der Patienten wurde die Operation wegen Unverträglichkeit oder unzureichendem Ansprechen der Medikamente durchgeführt. Weitere 31 Prozent der Patienten wollten nicht dauerhaft Dopamin-Agonisten einnehmen. Bei 92 Prozent der Patienten mit Mikroprolaktinomen, das sind Tumoren unter 1 cm Größe, konnte durch die OP eine Normalisierung des Prolaktinspiegels erzielt werden. Auch bei gut abgegrenzten Makroprolaktinomen (≥1 cm) wurde durch die Operation noch bei 70 Prozent eine Normalisierung des Prolaktinspiegels erreicht. Keiner der Patienten erlitt eine signifikante Komplikation. Entgegen der Annahme vieler Patienten und auch mancher Ärzte entsteht durch die Operation kein Hormonmangel der Hypophyse, sagt Honegger: „Die Funktion der Hypophyse kann sich nach der Entfernung des Prolaktinoms sogar verbessern, während eine Verschlechterung nur selten eintritt.“
Zur OP in ein Zentrum gehen
„Die Behandlung eines Prolaktinoms ist oft ein Balanceakt zwischen medikamentöser Therapie und Operation. Mit den beiden Möglichkeiten können wir unseren Patienten heute jedoch die bestmöglich passende Therapie anbieten“, fasst DGE-Pressesprecher Petersenn zusammen. Und er rät: Für die Behandlung und insbesondere die Operation sollte man ein spezialisiertes Zentrum aufsuchen – auch wenn man dafür eine längere Anreise in Kauf nehmen müsse.
Quellen
(1) Petersenn S., Giustina A.: Diagnosis and management of prolactinomas: current challenges.
Pituitary, 2020 Feb;23(1):1-2. DOI: 10.1007/s11102-019-01025-y
(2) Giese S., Nasi-Kordhishti I., Honegger J.: Outcomes of Transsphenoidal Microsurgery for Prolactinomas - A Contemporary Series of 162 Cases.
Exp Clin Endocrin Diabetes, 2021 Mar;129(3):163-171. DOI: 10.1055/a-1247-4908
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