Schilddrüse: Wenn der TSH-Wert erhöht ist
Vorsicht bei der Diagnose - auf den Kontext kommt es an
8. Deutsche Hormonwoche: Online-Pressekonferenz am 20. September 2023, 11 bis 12 Uhr
Altdorf – Ist der TSH-Wert erhöht, steckt nicht immer eine behandlungsbedürftige Unterfunktion der Schilddrüse, etwa eine Hashimoto-Thyreoiditis, dahinter. Vielmehr kann auch ein vorübergehender Mehrbedarf an Schilddrüsenhormonen der Grund sein. Zu den Auslösern gehören etwa die Jahreszeit - TSH-Werte sind einer aktuellen Studie zufolge im Winter tendenziell höher als im Sommer (1) - akuter Schlafmangel, körperliche Anstrengung, Infektionen, Pubertät, höheres Alter oder Adipositas. Sind die Patientinnen und Patienten ansonsten beschwerdefrei, spricht sich die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie e. V. (DGE) im Vorfeld ihrer Online-Pressekonferenz zur 8. Hormonwoche am 20. September 2023 deshalb dafür aus, vor der therapeutischen Gabe des Schilddrüsenhormons Thyroxin eine erneute TSH-Bestimmung durchzuführen. Sie sollte mindestens 2, besser 6 Monate nach dem ersten Test stattfinden. In 50 bis 60 Prozent der Fälle werde dann ein Normalwert gemessen, so die DGE. Erhöhte TSH-Werte, ihre Ursachen und Therapien, sind ein Thema auf der Online-Pressekonferenz.
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Die Schilddrüse ist ein kleines schmetterlingsförmiges Organ, das im vorderen unteren Bereich des Halses an der Luftröhre sitzt. Sie produziert das Hormon Thyroxin. Dieses ist für zahlreiche Körperfunktionen, etwa den Stoffwechsel, lebenswichtig. Zur Kontrolle der Schilddrüsenfunktion bestimmen Ärztinnen und Ärzte zunächst oft den TSH-Wert. TSH ist die Abkürzung für Thyreoidea-stimulierendes Hormon, auch Thyreotropin genannt. Der Botenstoff aus der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) reguliert die Schilddrüse. „Ist der TSH-Wert erhöht, könnte das bedeuten, dass die Schilddrüse zu wenig Schilddrüsenhormon produziert“, sagt das DGE-Mitglied Professor Dr. med. Joachim Feldkamp. Eine erkrankungsbedingte Schilddrüsenunterfunktion würde dann etwa mit Thyroxin-Tabletten behandelt werden.
Der TSH–Wert kann sich innerhalb des Tagesverlaufs ändern
Die Werte für TSH sind vom Labor und der eingesetzten Labormethode abhängig. Normalerweise beträgt der TSH-Wert zwischen 0,3 und 4,2 Milli-Units pro Liter (mU/L). „Eine sogenannte Hypothyreose liegt formal gesehen vor, wenn der TSH-Wert über dem oberen Grenzbereich von 4,2 mU/l liegt“, sagt Feldkamp, der Direktor der Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin, Endokrinologie, Diabetologie und Infektiologie am Klinikum Bielefeld Mitte ist. „Doch einzelne Messungen sind mit großer Vorsicht zu genießen. Sie rechtfertigen fast nie eine Therapieentscheidung“, so Feldkamp. „Zudem ist der TSH–Wert keine feste Größe, er kann sich innerhalb des Tagesverlaufs ändern.“
Entscheidend ist der Kontext der TSH-Erhöhung: Gibt es Symptome?
Denn oft steckt nur ein vorübergehender Mehrbedarf an Schilddrüsenhormonen hinter einem zu hohen TSH-Wert (2). Von entscheidender Bedeutung für die Einordnung sind deshalb die Symptome des Patienten: Wurde der Wert routinemäßig im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung erhoben? Oder waren neu aufgetretene Beschwerden wie Übergewicht und gestörte Gewichtsregulation trotz verringertem Appetit, Depression und hohes Schlafbedürfnis der Anlass, das Blut zu untersuchen?
Liegen Beschwerden vor, gilt es, die Schilddrüsenfunktion weiter abzuklären. „Dazu gehören die Bestimmung der freien Schilddrüsenhormone T3 und T4, der Nachweis von Antikörpern gegen das eigene Schilddrüsengewebe wie TPO-AK, TG-AK und TRAK und eine Ultraschalluntersuchung des Stoffwechselorgans.“ Eine autoimmun bedingte Unterfunktion der Schilddrüse, Hashimoto, ist dann die häufigste Ursache für einen zu hohen TSH-Spiegel.
Manche nehmen über Jahre Thyroxin ein, ohne es zu brauchen
„Leider werden in der Annahme, dass hinter jedem hohen TSH-Wert eine krankhaft bedingte Schilddrüsenunterfunktion steckt, mitunter zu schnell Schilddrüsenhormone verschrieben. „Wird das nie hinterfragt, nehmen die Betroffenen dann über viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, diese Medikamente ein, ohne einen Nutzen davon zu haben“, sagt DGE-Pressesprecher Professor Dr. med. Stephan Petersenn. „Deshalb wollen wir diesen Punkt auch in unseren „Klug entscheiden“-Empfehlungen, die wir gegen Unter- und Überversorgung in der Medizin gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) herausgeben, entsprechend ergänzen.“
Terminhinweis
Die Einflussfaktoren auf den TSH-Wert, etwa Jahreszeiten, Geschlecht, Biotineinnahme, Schwangerschaft, bis zu höherem Alter und der Umgang damit, sind ein Thema auf der Online-Pressekonferenz der DGE am 20. September 2023.
Mehr Informationen zur Pressekonferenz:
https://www.endokrinologie.net/pressekonferenz.php
Interessenkonflikte
Professor Feldkamp und Professor Petersenn haben keine Interessenkonflikte angegeben.
Quellen
(1) Sayaka Yamada, Kazuhiko Horiguchi, Masako Akuzawa, Koji Sakamaki, Yohnosuke Shimomura, Isao Kobayashi, Yoshitaka Andou, Masanobu Yamada. Seasonal Variation in Thyroid Function in Over 7,000 Healthy Subjects in an Iodine-sufficient Area and Literature Review, Journal of the Endocrine Society, Volume 6, Issue 6, June 2022, bvac054, https://doi.org/10.1210/jendso/bvac054
(2) Stirkat Falk. Umgang mit unklaren TSH-Abweichungen in der allgemeinmedizinischen Praxis, Allgemeinmedizin up2date 2022; 3: 129–143
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