04.08.06

Kein Durchbruch bei medikamentöser Brustkrebsprävention

Präventionsstudie P-2 (STAR-Trial) veröffentlicht

Stellungnahme von Prof. Dr. med. Günter Emons, Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Georg-August-Universität Göttingen, für die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie

Bochum – Jährlich erkranken in Deutschland etwa 50.000 Frauen an Brustkrebs. In den USA sind es 200.000. Neben der Verbesserung der Behandlung bereits erkrankter Frauen sucht die medizinische Forschung nach Möglichkeiten, die Häufigkeit der Erkrankung zu verringern. Eine große, doppelt blind durchgeführte Studie in den USA hatte in den neunziger Jahren untersucht, ob die vorbeugende Gabe des Brustkrebsmedikamentes Tamoxifen das Auftreten der Erkrankung verhindert. Es wurde in der Tat gezeigt, dass sich bei Frauen mit erhöhtem Brustkrebsrisiko die Häufigkeit des Auftretens der Erkrankung um 50 Prozent reduziert. Ähnliche, in Europa durchgeführte Studien schienen diesen Effekt zunächst nicht zu zeigen, bestätigten ihn aber später.

Obwohl Tamoxifen in den USA zur Prävention von Brustkrebs zugelassen ist, wird es dafür kaum eingesetzt. Vermutlich scheuen viele Ärzte die Verordnung beziehungsweise viele Frauen die Einnahme eines Krebsmedikamentes. Tamoxifen, ein selektiver Estrogen Rezeptor Modulator (SERM) hat antiöstrogene und gleichzeitig östrogene Wirkungen. Letztere führen zu Nebenwirkungen wie Thrombosen, Lungenembolien, Gebärmutterkörperkrebs und grauem Star. Bei der Behandlung von Brustkrebspatientinnen sind diese Nebenwirkungen akzeptabel, da sie bei weitem von den positiven Effekten des Tamoxifens (Zurückdrängung beziehungsweise Verhinderung des Wiederauftretens der Brustkrebserkrankung) überwogen werden. In der Prävention, das heißt der Einnahme des Medikamentes durch gesunde Frauen sind diese Nebenwirkungen für viele Ärzte und Frauen jedoch nicht akzeptabel.

Als mögliche Alternative erschien ein anderer SERM, das Raloxifen. Diese Substanz, die zur Behandlung und Prävention der durch Östrogenmangel hervorgerufenen Osteoporose eingesetzt wird, hatte als Nebeneffekt auch eine deutliche Senkung (um 70 Prozent) des Auftretens von Brustkrebs gezeigt. Im Gegensatz zum Tamoxifen hatte Raloxifen keine ungünstigen Effekte auf die Gebärmutterschleimhaut. Das National Surgical Adjuvant Breast and Bowel Project (NSABP) legte deshalb seine zweite Brustkrebspräventionsstudie auf, die "Study of Tamoxifen and Raloxifene (STAR) P-2 Trial". Jeweils etwa 10.000 gesunde Frauen (nach den Wechseljahren, mittleres Alter: 59 Jahre) nahmen Tamoxifen oder Raloxifen über fünf Jahre ein. Die Ergebnisse dieser doppelt blind durchgeführten Studie wurden Anfang Juni auf der Jahrestagung der American Society for Clinical Oncology (ASCO) in Atlanta vorgestellt und parallel online publiziert (JAMA 2006; 295, www.jama.com). Die Häufigkeit von Brustkrebs war unter beiden Medikamenten gleich. In der Tamoxifengruppe wurden jedoch weniger Brustkrebsvorstufen beobachtet. Dieses Ergebnis war allerdings nicht statistisch signifikant. In der Tamoxifengruppe traten deutlich mehr Fälle von Vorstufen von Gebärmutterkörperkrebs auf und es waren mehr Gebärmutterentfernungen erforderlich. Die Häufigkeit von Gebärmutterkörperkrebs war in der Tamoxifengruppe höher, wenn auch nicht statistisch signifikant. Allerdings hatten etwa 50 Prozent der Studienteilnehmerinnen zu Beginn der Studie keine Gebärmutter mehr. In der Raloxifengruppe traten signifikant seltener Thrombosen und grauer Star auf. Knochenbrüche waren in beiden Gruppen gleich häufig. Auch die Parameter der Lebensqualität wurden sorgfältig erfasst: Frauen in der Tamoxifengruppe hatten häufiger gynäkologische Probleme, Hitzewallungen, Wadenkrämpfe und Blasenprobleme. Dafür hatten die Frauen in der Raloxifengruppe geringeres sexuelles Interesse, häufiger Beschwerden beim Geschlechtsverkehr sowie Muskel- und Knochenbeschwerden und Gewichtszunahme.

Die Euphorie bei der Vorstellung dieser Ergebnisse war verhalten: Raloxifen scheint das Risiko für Brustkrebs genauso effektiv zu senken wie Tamoxifen. Das Risiko des Auftretens von Brustkrebsvorstufen, die häufig auch eine Operation und Bestrahlung erfordern, wird durch das Raloxifen wahrscheinlich nicht so effektiv gesenkt, wie durch Tamoxifen. Dafür traten unter Raloxifen einige gravierende Nebenwirkungen (Thrombosen, grauer Star, wahrscheinlich auch Gebärmutterkörperkrebs) deutlich seltener auf als unter Tamoxifen. Bei den mehr subjektiv empfundenen Nebenwirkungen beeinträchtigt Raloxifen mehr das Sexualleben, macht aber weniger Hitzewallungen.

Fazit: Es steht jetzt eine zweite effektive Substanz zur Prävention von Brustkrebs zur Verfügung, die etwas weniger und andere Nebenwirkungen hat als Tamoxifen, dafür nicht so deutlich vor den Brustkrebsvorstufen zu schützen scheint und die Sexualfunktion stärker beeinträchtigt. Der erwartete große Durchbruch ist dies nicht, aber ein weiterer kleiner und wichtiger Fortschritt.