05.07.07

Preis für Hormonforscherinnen

Wie genetische Fehler Nervenzellen vergiften und entgiften

München, Juli 2007 - Veränderungen im Erbgut können Krankheiten auslösen. Derartige Mutationen schwächen die Ausprägung von Erbkrankheiten mitunter aber auch ab. Die Hormonforscherinnen Sarah Funderburk und Liubov Shatkina vom Forschungszentrum Karlsruhe zeigten dies am Beispiel des Kennedy-Syndroms, einer angeborenen Muskelschwäche. Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) zeichnete sie dafür mit dem Schoeller-Junkmann-Preis. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert.

Die Erkrankung tritt mit einer Häufigkeit von 1:50.000 in der Regel bei Männern auf. Im Alter von 30 bis 50 Jahren macht sich bei den Betroffenen zunehmende Muskelschwäche bemerkbar. Häufig geht sie einher mit Impotenz, Sprechen und Schlucken sind gestört. Ursache sind Veränderungen im Gen, welches den Rezeptor für das männliche Geschlechtshormon Androgen kodiert. Die Rezeptoren sorgen beim Gesunden dafür, dass Androgen in den Zellkern gelangt. Bei Menschen mit Kennedy-Syndrom ist das für ihren "Bau" zuständige Gen jedoch verändert: Bestimmte Abschnitte des Gens, so genannte CAG-Tripletts, wiederholen sich immer wieder anstatt mit anderen zu wechseln. Die CAG-Tripletts kodieren die Aminosäure Glutamin.

Auf diese Weise entsteht ein Überschuss an Glutamin in der Zelle. Je mehr Tripletts vorhanden sind, desto früher setzt die Muskelschwäche ein und desto schwerer ist ihr Verlauf. Forscher vermuten, dass die Vermehrung des Glutamins den Transport der Androgen-Rezeptoren in der Zelle behindert: Treffen beim Gesunden Androgene in der Zelle ein, binden sie an die Rezeptoren, die dann in den Zellkern wandern. Doch beim Kennedy-Syndrom erreichen die Rezeptoren den Zellkern nicht. Stattdessen lagern sich die Rezeptorteilchen in immer größerer Menge in der Zelle ab. Dadurch "vergiften" die Androgenrezeptoren nach und nach die Nervenzelle.

In einer Reihe von Experimenten an Fruchtfliegen konnten Funderburk und Shatkina nachweisen, dass weitere genetische Veränderungen beim Kennedy-Syndrom die Krankheitssymptome abschwächen können. Die beiden Forscherinnen gehen davon aus, dass diese Mutationen wiederum den Rezeptor so verändern, dass der normale Transport in den Zellkern gestört wird. Die beim Kennedy-Syndrom ohnehin gestörte Entsorgung des Rezeptors bessert sich dadurch. Wie genau dies geschieht, ist noch nicht bekannt. Von weiteren Experimenten versprechen sie sich neue Erkenntnisse bei der nach wie vor rätselhaften Erkrankung.

Die DGE verleiht den Schoeller-Junkmann-Preis jährlich für wissenschaftliche Arbeiten auf dem gesamten Gebiet der Endokrinologie. Bewerber dürfen nicht älter als 40 Jahre sein.