06.03.09

Mangel an Endokrinologen in Deutschland
Menschen mit Hormonerkrankungen fachärztlich unterversorgt

52. Symposion der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE)
4. bis 7. März 2009, Kongresshalle/Aula der Justus-Liebig-Universität Gießen

Gießen, 5. März 2009 - In Deutschland praktizieren etwa 400 Endokrinologen. Rund 180 dieser "Hormonärzte" sind in etwa 90 Praxen niedergelassen. Ein Endokrinologe ist somit Ansprechpartner für etwa 460 000 Einwohner. Vor diesem Hintergrund warnt die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) vor einem Mangel an endokrinologischen Fachärzten. Denn gerade Menschen mit hormonellen Erkrankungen gehörten in die Hände eines Experten. Vertreter der Fachgesellschaft diskutierten die Situation der endokrinologischen Versorgung im Rahmen einer Pressekonferenz, die zum Auftakt des 52. Symposions der DGE am 4. März 2009 in Gießen stattfand.

Endokrinologen sind fachübergreifend tätig. Denn in ihr Fachgebiet fallen die verschiedensten Krankheitsbilder: Knochenschwund, Kropf, Krebs, Übergewicht, Unfruchtbarkeit und auch sexuelle und Wachstumsstörungen. Sie arbeiten deshalb eng mit anderen Ärzten wie Chirurgen, Frauenärzten, Kinder- und Hautärzten, Strahlenmedizinern oder Orthopäden zusammen. "Diese sind auf die interdisziplinäre Kompetenz der Endokrinologen angewiesen", betont Dr. med. Ulrich Deuß, Sprecher der Kommission Berufspolitik der DGE.

Doch nur gut ein Promille der hierzulande mehr als 300 000 berufstätigen Ärzte sind Endokrinologen. In die Hunderttausende gehen dagegen die Zahlen der potenziellen Patienten: Rund 80 Prozent der von Endokrinologen Betreuten leiden an Volkskrankheiten - Adipositas, Diabetes mellitus, Osteoporose und Schilddrüsenerkrankungen. Die übrigen 20 Prozent sind von selteneren Erkrankungen, etwa der Hirnanhangsdrüse, der Nebenniere oder Stoffwechselerkrankungen, befallen. Gerade diese Patienten bedürfen einer zeitaufwendigen Beratung und einer hochwertigen Diagnostik im Labor, sagt Dr. Deuß. Viele endokrinologische Praxen verfügen deshalb über ein Hormonlabor. "Jüngste Abwertungen durch die Kassen für Hormonmessungen um etwa ein Fünftel bedrohen jedoch die Existenz der wenigen vorhandenen Praxen", so der Kölner Endokrinologe.

In den letzten zwei Jahrzehnten ist zudem die Zahl der endokrinologischen Lehrstühle um die Hälfte zurückgegangen. "Endokrinologische Forschung wird mittlerweile meist anderen Fachgebieten untergeordnet", sagt DGE-Vorstandsmitglied Deuß. Ambulante Versorgung endokrinologischer Patienten finde im universitären Bereich nur noch sehr begrenzt statt, denn Universitätskliniken geraten mit ihren Hochschulambulanzen wie auch im stationären Bereich finanziell immer mehr unter Druck. Endokrinologie droht in den Kliniken langfristig nur als Teilbereich anderer Fächer zu überdauern, so Deuß. Dass es auch anders geht, zeigen die europäischen Nachbarn: In Italien und Frankreich sind jeweils mehr als 3 000 Endokrinologen tätig.

Unter diesen Vorzeichen wird sich die Qualität der endokrinologischen Versorgung in Deutschland zukünftig verschlechtern, befürchten die Experten. "Das derzeit noch angebotene hohe Niveau endokrinologischer Versorgung habe nur dann Bestand, wenn die Politik diese Leistungen angemessen vergütet", so Deuß. Die DGE diskutiert Engpässe in der endokrinologischen Versorgung in Deutschland im Rahmen ihres 52. Symposions in Gießen.