Prolaktinom

Prolaktin produzierender Hypophysentumor

Diese Darstellung wurde von Professor Klaus von Werder, Endokrinologikum München, erarbeitet. Sie ist für Laien bestimmt, kann aber in keinem Fall das Gespräch mit dem Arzt ersetzen. Nur dieser kann alle Einzelheiten des jeweils persönlichen Falles beurteilen, entsprechend weitere individuelle Aufklärung geben und gebotene diagnostische und ggf. therapeutische Maßnahmen einleiten. Die hier gegebenen Informationen entsprechen dem Wissensstand Mitte 2004. Neue Erkenntnisse können Teile hiervon oder die ganze Darstellung veraltet werden lassen.

Die Prolaktin produzierende Hypophysengeschwulst (Hypophysenadenom) ist neben den nicht Hormon produzierendem Hypophysenadenom der häufigste Hypophysentumor. Man spricht vom Prolaktinom und unterscheidet je nach Größe das Mikroprolaktinom (Ø < 10 mm) vom Makroprolaktinom (Ø > 10 mm). Die Mikroprolaktinome, die vornehmlich bei Frauen beobachtet werden, sind immer gutartig. Makroprolaktinome, die bei beiden Geschlechtern gleich häufig auftreten, sind meist gutartig. Bösartige, Prolaktin produzierende Hypophysentumore ("Hypophysenkrebs") sind sehr selten.

Prolaktin ist bei der Frau ein wichtiges Reproduktionshormon. Es allein ermöglicht der Mutter, ihr Neugeborenes mit Muttermilch zu ernähren. Darüber hinaus sorgt Prolaktin dafür, dass während der Stillphase die Eierstockfunktion ruhig gestellt wird, damit die Frau in dieser Zeit nicht wieder schwanger werden kann. Dies setzt voraus, dass die Mutter ihr Kind 7x oder häufiger am Tag stillt ("Natürliche Geburtenkontrolle"). Auch der Mann bildet in seiner Hypophyse Prolaktin, das aber keinerlei erkennbare physiologische Bedeutung hat.

Klinisches Bild und Symptome

Eine vermehrte Prolaktinfreisetzung außerhalb der Schwangerschaft führt zu Störungen der Sexualfunktion bei Frau und Mann. Die unzeitgemäße Milchproduktion (Galaktorrhoe) und die Unterdrückung des Eisprungs bzw. die daraus resultierenden Störungen der Menstruationsblutung und die Unfähigkeit schwanger zu werden, werden durch erhöhte Prolaktinspiegel (Hyperprolaktinämie) hervorgerufen. Die Hyperprolaktinämie gehört zu den häufigsten hormonellen Störungen, die eine Unfruchtbarkeit bei der Frau hervorrufen. Etwa 20 % aller erworbenen Menstruationsstörungen sind durch eine solche Hyperprolaktinämie bedingt.

Auch beim Mann verursacht die vermehrte Produktion von Prolaktin eine Störung der Keimdrüsenfunktion mit Libidoverlust und sexueller Impotenz. Dabei lässt der Bartwuchs nach und die Sexualbehaarung wird spärlicher. Allerdings ist beim Mann die Hyperprolaktinämie weniger häufig als bei der Frau und meist auf größere Hypophysentumore (Makroprolaktinome) zurückzuführen. Aufgrund der Raumforderung durch den Hypophysentumor und der Nähe zu den Sehnerven entsteht eine zusätzliche Gefahr für das Sehvermögen. Typischerweise haben Patienten mit großen Makroprolaktinomen beidseits seitliche Gesichtsfeldausfälle (Scheuklappen-Hemianopsie), gelegentlich ist aber auch nur ein Auge betroffen.

Diagnostisches Vorgehen

Die Diagnose eines Prolaktinoms wird gesichert durch die Messung des Prolaktinspiegels, dessen Abweichung von der Norm zur Größe des Prolaktinoms relativ gut korreliert. Liegen die Prolaktinspiegel über 250 µg/l bzw. 5.000 mE/l, handelt es sich mit größter Wahrscheinlichkeit um ein Prolaktinom, das mit bildgebender Diagnostik der Hypophyse (Kernspintomographie) gesichert werden muss. Wichtig ist, dass nicht jede Hyperprolaktinämie durch ein Prolaktinom bedingt ist. Gewisse Medikamente (Dopaminantagonisten), die bei Magen-Darm-Erkrankungen und in der Psychiatrie häufiger eingesetzt werden, können zur Erhöhung der Prolaktinspiegel führen. Auch kann eine Unterfunktion der Schilddrüse eine Erhöhung des Prolaktinspiegels bewirken. Darüber hinaus können andere Hypophysentumore bzw. Tumore oberhalb der Hypophyse über eine Hemmung der Freisetzung des Prolaktinhemmfaktors (Dopamin) zu einer Hyperprolaktinämie führen. Meist liegen dann die erhöhten Prolaktinspiegel unterhalb von 250 µg/l.

Therapie-Optionen

Die Therapie wird durch den Wunsch der Patientin (Schwangerschaft) und die Größe des Hypophysentumors bestimmt. Im Gegensatz zu allen anderen Hypophysentumoren ist die medikamentöse Behandlung die Therapie der Wahl, da Dopaminagonisten (Bromocriptin, Quinagolid und Cabergolin) nicht nur zur Normalisierung der Prolaktinspiegel, sondern bei über 80% der Fälle auch zu einer Schrumpfung, ja bis zum Verschwinden des Prolaktinoms, führen. Allerdings muss die Therapie über Jahre (Kontrolle des Prolaktinspiegels!) durchgeführt werden. Einige Patienten müssen wegen Unverträglichkeit der Medikamente oder nicht ausreichender Schrumpfung des Tumors operiert werden, eine Bestrahlung ist nur in sehr seltenen, therapieresistenten Fällen indiziert.

Patientinnen mit Mikroprolaktinomen, die nicht schwanger werden wollen, aber aufgrund ihrer Eierstockruhe einen weiblichen Hormonmangel haben, können mit Oestrogen/Gestagenpräparaten behandelt werden, wobei der Prolaktinspiegel einmal im Jahr kontrolliert werden sollte (Tumormarker!). In der Postmenopause muss bei Mikroprolaktinom-Patientinnen nur der Prolaktinspiegel als Marker für die Prolaktinomgröße einmal im Jahr bestimmt werden, eine Therapie entfällt.

Da sich in der Schwangerschaft die Hypophyse auf Kosten der Prolaktin produzierenden Zellen beinahe verdoppelt, bedürfen Patientinnen mit Makroprolaktinomen, die schwanger werden wollen einer besonderen Beachtung. Entweder müssen die Patientinnen nach initialer Dopaminagonisten-Therapie vor einer Schwangerschaft operativ von einem Großteil ihres Tumors befreit werden oder aber durch die ganze Schwangerschaft mit Dopaminagonisten behandelt werden, was nachweislich zu keiner Schädigung der Kinder führt. Die Betreuung von Makroprolaktinom-Patientinnen mit Kinderwunsch sollte interdisziplinär (Endokrinologe, Gynäkologe und Neurochirurg) erfolgen.