Cushing-Syndrom

Die folgende Darstellung wurde ursprünglich von Frau Prof. Dr. med. Wiebke Arlt, University of Birmingham, Großbritannien, erarbeitet und 2012 und 2020 von Prof. Dr. med. Martin Fassnacht, Universitätsklinik Würzburg, aktualisiert.

Klinisches Bild und Symptome

Das klinische Bild des Cushing-Syndroms ist die Folge einer krankhaft gesteigerten Produktion des Nebennierenhormons Cortisol. Die große Mehrzahl der Cushing-Erkrankungen wird durch einen gutartigen Tumor in der Hirnanhangsdrüse ausgelöst, der eine Überproduktion des Hormons ACTH zur Folge hat. Wenn dies der Fall ist spricht man von der sog. Cushing-Erkrankung (Morbus Cushing). Dieses ACTH stimuliert dann die Nebennierenhormonproduktion und führt damit zu einem Anstieg von Cortisol im Blut. Daneben kann die Quelle der ACTH-Überproduktion allerdings auch in anderen Organen liegen (sog. ektopes Cushing-Syndrom). Zusätzlich können Tumoren der Nebenniere (gutartige Adenome oder bösartige Karzinome) direkt Cortisol produzieren.

Ein Zeichen der Erkrankung ist die Gewichtszunahme, insbesondere am Körperstamm. Auch kommt es zum Auftreten von Hamsterbäckchen und manchmal eines runden sog. Vollmondgesichtes. Typischerweise bleiben Arme und Beine dabei schlank. Dabei können Dehnungsstreifen an Bauch, Hüfte und Achseln entstehen, die Schwangerschaftsstreifen ähneln, jedoch breiter sind und durch kleinere Einblutungen oft rot erscheinen (rote Streifen - Striae rubrae). Allerdings hat nur ein sehr kleiner Teil der Menschen mit Gewichtszunahme ein Cushing-Syndrom. Das Cushing-Syndrom führt durch eine erhöhte Gefäßbrüchigkeit auch zum häufigeren Auftreten von Blutergüssen sowie zu einer schlechteren Wundheilung. Als weitere Zeichen an der Haut kann es zu einer vermehrten Körperbehaarung vom männlichen Typ (= Hirsutismus) bei einer betroffenen Frau kommen sowie bei beiden Geschlechtern zum Auftritt von Akne kommen. Ebenso kann die Haut insgesamt dünner werden ("Pergamenthaut"). Typischerweise wird die monatliche Regelblutung von betroffenen Frauen unregelmäßig oder bleibt ganz aus (Amenorrhoe). Oft kommt es zum einem Verlust der Muskelkraft (Myopathie), der besonders die Gesäß- und Oberschenkelmuskulatur betrifft. Dadurch kommt es typischerweise zu Schwierigkeiten beim Treppensteigen oder beim Aufstehen aus der Hocke. Weiterhin kann ein Zuviel an Cortisol sich negativ auf das Gemüt und die Stimmung auswirken und ein Mehr an Ängstlichkeit und depressiven Gedanken sowie Stimmungsschwankungen auslösen.

Ein Zuviel an Cortisol hat auch ernste Stoffwechsel- und Kreislaufeffekte. So kann es zum Auftritt einer Zuckerkrankheit kommen (Diabetes mellitus), der dem sog. Altersdiabetes-Typ entspricht. Die Wirkung von Cortisol auf das Blutdruckregulationssystem in der Niere kann zu Bluthochdruck führen und gleichzeitig mit einer Verarmung des Körpers an Kalium einhergehen. Ein niedriger Kaliumwert im Blut ist potentiell gefährlich für die Aufrechterhaltung einer normalen Kreislauffunktion, insbesondere eines regelmäßigen Herzrhythmus. Ein Zuviel an Cortisol wirkt sich auch ungünstig auf den Knochen aus und führt zum Knochenmassenverlust (Osteoporose). Je nachdem wie ausgeprägt die Cushing-Erkrankung ist, kann es dadurch zu Brüchen (Frakturen) der Wirbelkörper kommen, was sich meist durch schlagartig einsetzende Rückenschmerzen äußert.

Diagnostisches Vorgehen

Endokrinologische Funktions-Diagnostik

Wenn das klinische Bild den Verdacht auf ein Cushing-Syndrom nahelegt, muss im ersten Schritt die Erkrankung mittels Laboruntersuchungen belegt werden. Hierzu gibt es aktuell 3 Standardtests, von denen mindestens einer (häufig mehrere) davon Anwendung finden. Beim sog. Dexamethasontest wird versucht durch eine abendliche Tabletteneinnahme die körpereigene Cortisol-Produktion zu unterdrücken. Zeigt eine Blutentnahme am nächsten Morgen an, dass der Körper weiterhin zu viel Cortisol produziert, kann dies als Hinweis auf ein Cushing-Syndrom gewertet werden. Ähnliches gilt, wenn die Cortisolausscheidung im 24-h-Urin oder das Cortisol im Speichel oder Blut spätabends deutlich erhöht ist.

Ist der Nachweis der Cushing-Erkrankung erbracht, erfolgt die Differentialdiagnostik durch weitere Tests mit Blutentnahmen (CRH-Test, hochdosierter Dexamethason-Test), um zu bestätigen, dass die Ursache der Erkrankung in der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) zu finden ist, was in ca. 80% der Fälle zutrifft. In einer Minderzahl der Erkrankten kann die Ursache die Nebenniere selbst (adrenales Cushing-Syndrom) sein oder eine Zellansammlung außerhalb von Nebenniere und Hypophyse (sog. Ektopes Cushing-Syndrom). Ein adrenales Cushing-Syndrom ist einfach zu diagnostizieren, manchmal ist aber die Unterscheidung zwischen einem Tumor in der Hypophyse oder an einer anderen Stelle  im Körper schwierig. Insbesondere wenn in der Bildgebung (s.u.) kein Tumor in der Hypophyse gefunden wird und die Testergebnisse uneindeutig sind, wird ein sog. selektiver Sinus petrosus-Katheter durchgeführt. Dabei wird unter Röntgenkontrolle ein winziger Katheterschlauch in den Blutgefässen bis nahe an die Hypophyse vorgeschoben und durch die Untersuchung des dort entnommenen Blutes kann entschieden werden, ob die Quelle der Hormonüberproduktion die Hypophyse ist.

Bildgebende Verfahren

Das maßgebliche Verfahren zur Bildgebung der Hypophyse ist die Kernspintomographie (auch MRT), die bis zu 2 mm kleine Tumoren darstellen kann. Trotzdem gelingt es auch bei einer hypophysären Krankheitsursache manchmal nicht, auf dem MRT-Bild einen Tumor zu entdecken. Typischerweise sind Hypophysentumoren, die eine Cushing-Erkrankung verursachen, sehr klein und wenn sie kleiner als 2 mm sind, kann die Kernspintomographie sie nicht zeigen. Deswegen bedeutet ein unauffälliges Kernspin-Bild der Hypophyse nicht, dass die Erkankungsursache nicht doch dort zu suchen ist. Liegt die Ursache nicht in der Hyophyse müssen entsprechend die anderen Organe mittels Computertomographie oder Kernspintomographie untersucht werden.

Therapie-Optionen

Operation

Die Therapie der Wahl zur Behandlung eines Hypophysentumors, der eine Cushing-Erkrankung auslöst, ist die chirurgische Entfernung des Tumors. Dies sollte in der Regel durch eine minimal invasive sog. transsphenoidale Hypophysen-Operation erfolgen. Diese Operation sollte in einer auf Hypophsenoperationen spezialisierten Neurochirurgie erfolgen.

Strahlentherapie

Führt die Hypophysenoperation nicht zur Heilung der Cushing-Erkrankung und ist eine zweite Operation nicht erfolgsversprechend oder ebenfalls nicht erfolgreich, kann eine Bestrahlung der Hypophyse sinnvoll sein. Diese führt oft erst mehrere Jahre nach der Bestrahlung zu einem Abfall der Hormonproduktion, kann aber eine langfristig sinnvolle Option sein. Wegen des langen Zeitraums zwischen Bestrahlung und Wirkungseintritt ist ggf. vorübergehend die zusätzliche Behandlung mit Medikamenten erforderlich, die die Cortisol-Produktion hemmen (s. unter medikamentöser Therapie). Ebenso wie eine Operation kann auch eine Bestrahlung langfristig den Ausfall einzelner oder mehrerer Hypophysenfunktionen zur Folge haben (Hypophyseninsuffizienz).

Medikamentöse Therapie

Die Behandlung der Cushing-Erkrankung kann vorübergehend zur Operationsvorbereitung oder falls eine Operation nicht erfolgreich war medikamentös erfolgen. In den letzten Jahren wurden in Deutschland zahlreiche Medikamente hierfür zugelassen (in alphabetischer Reihenfolge: Ketoconazol, Metyrapon, Osilodrostat, Pasireotide), so dass die Auswahl individuell auf die Bedürfnisse des Patienten zugeschnitten werden kann. Hierfür sollte sich der Patient auf jeden Fall in einem spezialisierten Zentrum vorstellen.

Bilaterale Nebennierenentfernung (Adrenalektomie)

Gelingt es durch keines der beschriebenen Verfahren die Hormonüberproduktion zu kontrollieren, ist es manchmal sinnvoll und notwendig beide Nebennieren zu entfernen. Sind die Nebennieren entfernt, können sie kein Zuviel an Cortisol mehr produzieren. Dies bedeutet jedoch auch, dass dann eine lebenslange Hormonersatztherapie erforderlich ist, um die nun gänzlich fehlende Funktion der Nebenniere auszugleichen. In der Regel wird dies durch eine Einnahme von Hydrocortison und Fludrocortison erreicht.

Nachsorge

Nach erfolgreicher Operation dauert es eine ganze Weile, meist Monate, manchmal aber auch mehrere Jahre, bis sich die normale Funktion der Hypophyse und der Nebennieren wieder erholt hat. Bis dahin ist oft ein Ersatz des Cortisols in Form von Tabletten erforderlich (Hydrocortison). Der Wechsel von einem Zuviel an Cortisol zu einem normalen Cortisol-Wert im Blut wird oft von den Patienten als ein Zuwenig an Cortisol empfunden. Bis sich der Körper an sein neues Gleichgewicht gewöhnt hat, können evtl. Monate vergehen und in dieser Zeit muss sich der Patient auf zeitweise Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, Müdigkeit und Abgeschlagenheit einstellen. Langfristig bedeutet die Heilung der Cushing-Erkrankung aber die Rückkehr zum normalen Leben. Nicht vergessen werden sollte, dass eine unbehandelte Cushing-Erkrankung langfristig häufig zum frühzeitigen Tod führt.