Therapie mit Glukokortikoiden

Einleitung

Zuerst die gute Nachricht: Kenntnisreich und mit Gefühl angewendet, kann die Therapie mit Glukokortikoiden eine segensreiche und lebens(qualität)rettende Maßnahme bei völlig verschiedenen Erkrankungen sein. Nicht umsonst wurde für die Identifizierung der Nebennierenrindenhormone und ihrer therapeutischen Anwendung 1950 der Nobelpreis vergeben. Und nun die zweitbeste Nachricht: Arzt und Patient müssen gleichermaßen gut aufgeklärt / geschult sein, um möglichst wenig Nebennwirkungen, die diese Therapie zweifelsohne mit sich bringen kann, zu erfahren. Deshalb muss man sich immer wieder informieren. Andererseits bietet dieser Umstand auch die Chance, dass bei Anwendungen einiger weniger (aber wichtiger Regeln) die Patienten zusammen mit den betreuenden Ärzten selbständig Einfluß auf ihre Therapie nehmen können.

Gründe für eine Glukokortikoidtherapie

Es gibt völlig unterschiedliche Gründe, warum Glukokortikoide zur Therapie eingesetzt werden. Am häufigsten werden sie zur Behandlung von rheumatischen Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen, Allergien, entzündlichen Krankheiten, einige Lungenerkrankungen, Hauterkrankungen, Krankheiten des Nervensystems, nach Organtransplantation, aber auch im Rahmen anderer Therapien wie z.B bei bestimmten Chemotherapien, u.v.a.m. eingesetzt. Daneben werden Glukokortikoide auch in Form einer Hormonersatztherapie beim Ausfall der Funktion der Nebennieren oder/und der Hirnanhangsdrüse eingesetzt. Diese Vielfalt von Erkrankungen führt auch zu völlig unterschiedlichen Formen der Therapie, völlig unterschiedlichen Präparaten und Dosierungen, die eingesetzt werden und ganz unterschiedlichen Zeitspannen, über die sich solch eine Therapie erstreckt: von wenigen Wochen bis lebenslang.

Glukokortikoidsorten

Den körpereigenen Stoff "Cortisol" gibt es in Tablettenform als "Hydrocortison". Auch "Cortison" gibt es in Tablettenform, jedoch nicht mehr in Deutschland erhältlich. Dieses "Cortison" ist eigentlich inaktiv, doch wandelt der Körper diesen Stoff in der Leber in Hydrocortison um. Da das "Cortison" eines der ersten künstlich hergestellten Substanzen war, hat es der Glukokortikoidtherapie den Namen gegeben: "Cortisontherapie". Allerdings ist Cortison etwas schwächer als Hydrocortison. Beide Steroidhormone haben jedoch eine Gemeinsamkeit: sie haben eine relative starke Wirkung auf den Salz-, Wasser- und Kaliumhaushalt. Eine Überdorsierung, also mehr als der Körper an diesen Hormonen selbst produziert, kann leicht zu einem Bluthochdruck oder/und Kaliummangel führen.

Deshalb wurden viele Substanzen entwickelt, die dem Cortisol oder dem Cortison künstlich nachempfunden wurden. In der Regel ging bei diesen Stoffen der Effekt auf den Natrium-, Wasser- und Kaliumhaushalt verloren. Allerdings sind die anderen Effekte auf z.B. den Blutzucker oder Entzündungszellen viel stärker. Oft werden sie auch nicht so schnell abgebaut, wie Cortisol, sodass sie in der Kombination eine stärkere unterdrückende Wirkung auf die Hypophysen-Nebennierenachse haben. Eine wichtige Nebenwirkung kann deshalb die Entwicklung einer Hypophysen-Nebennierenrinden-Unterfunktion sein (siehe Patienteninformation "Nebennierenrindeninsuffizienz"). Die unten stehende Tabelle 1 gibt einen Überblick über unterschiedliche Präparate und stellt verschiedene Wirkstärken dar.

Substanz Beispielname Wirkdauer Wirkstärke
Cortisol Hydrocortison® 1 ½ – 6 Std. 1
Cortison Cortisonacetat® 2 – 8 Std. 0,8
Prednisolon Decortin H® 3 – 24 Std. 5
Prednison Decortin® 3 – 24 Std. 4
Methylprednisolon Urbason® 3 – 24 Std. 5
Dexamethason Fortecortin® 3 ½ – 72 Std. ca. 30

Diese Tabelle listet verschiedene Substanzen auf und vergleicht ihre Wirkstärken miteinander. Je höher diese ist, desto weniger muss im Vergleich von Hydrocortison eingenommen. So entsprechen 20 mg Hydrocortison ca. 4 mg Prednisolon (4 x Wirkstärke 5 = 20).

Verschiedene Formen der Glukokortikoidtherapie

Es gibt verschiedene ganz unterschiedliche Formen einer Glukokortikoidtherapie. Dabei gilt, dass die Nebenwirkungen von der Höhe der Glukokortikoiddosis und der Dauer der Glukokortikoidtherapie eintreten. Wichtige Nebenwirkungen betreffen das Bewegungssystem (Muskelschwäche, Knochenschwund), das Immunsystem (Infektneigung, Blutbildveränderungen), den Glukosestoffwechsel (erhöhter Blutzucker), den Salz-/Wasserhaushalt (Bluthochdruck, Kaliummangel, Ödeme), die Magenschleimhaut (Entzündung), das Auge (Trübung der Augenlinse, grauer Star), die Blutgefäße (Blutungsneigung), die Haut (dünne Haut, Veränderungen des Haarwachstums, Akne, Bindegewebsschwäche (Blutergüsse, rote Streifen)) und das Fettgewebe (kräftiger Nacken, abgerundetes Gesicht). Darüberhinaus kann eine höherdosierte Glukokortikoidtherapie auch die Bildung der Sexualhormone hemmen und damit die Monatsblutung ausbleiben bzw. Potenzstörungen auftreten. Ganz wichtig, sie kann eine depressive Stimmungslage hervorrufen, Schlaflosigkeit und Hunger (Gewichtszunahme). Und sie kann eine behandlungspflichtige Nebennierenrindenunterfunktion verursachen.

1. Substitutionstherapie (Hormonersatztherapie)

Hierbei geht es darum, dem Körper mit der Menge an Glukokortikoiden zu versorgen, die ihm fehlt bzw. die er normalerweise selber produzieren würde (z.B. bei einer Nebennierenrindeninsuffizienz). Es geht also nicht darum, das Immunsystem oder eine Entzündungsreaktion zu kontrollieren, und deshalb müssen nicht die Vorsichtsmaßnahmen beachtet werden, die sonst eine ganz wichtige Rolle spielen. Da das Cortisol die höchste Blutkonzentration am Morgen aufweist und die niedrigste Konzentration um Mitternacht, wird oft versucht, die Glukokortikoidtherapie diesem tageszeitlichen Rhythmus nachzuempfinden: z.B. 2/3 der Hydrocortisondosis morgens, 1/3 verteilt auf mittags und spätnachmittags bzw. abends.

2. Stoßtherapie

Hierbei geht es darum, mittels hoher Glukokortikoidmengen z. B. eine Entzündungsreaktion möglichst schnell zu unterdrücken. Sofern sie nicht in eine Dauertherapie übergeht, müssen chronische Nebenwirkungen nicht befürchtet werden. Wird eine Stoßtherapie allerdings oft durchgeführt (Behandlung von Krankheitsschüben), dann sollten typischen Nebenwirkungen bedacht werden. Dauert die Stoßtherapie länger als 1 Monat oder liegen am Ende eines "Steroidstoßes" Nebenwirkungen vor, muß die Glukokortikoiddosis hinterher ausgeschlichen werden (siehe unten).

3. Dauertherapie in Tablettenform

Das Ziel dieser Glukokortikoiddauertherapie ist es, die Kontrolle von Symptomen bzw. die Aktivität einer Erkrankung bzw. einer Abstoßungsreaktion zu kontrollieren. Die Dosen sind viel niedriger als bei einer Stoßtherapie, aber eben höher als bei einer Substitutionstherapie. Deshalb muss man mit Nebenwirkungen rechnen. Und deshalb werden - nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt - zusätzliche Medikamente eingesetzt, deren Wirkung auf die Reduktion bzw. Vermeidung von Komplikationen abzielt. So wird empfohlen, mit Vitamin D (und Kalzium) zu behandeln, um der Entwicklung einer Osteoporose vorzubeugen. Gelegentlich muss auch ein Medikament eingesetzt werden, um die Magenschleimhaut zu schützen. Ganz wichtig ist jedoch, dass die durch die Glukokortikoidtherapie gewonnene Lebensqualität dazu benutzt wird, um den Lebensstil an diese Therapie anzupassen: viel viel viel Bewegung.

4. Lokaltherapie ("topische" Anwendung)

Nasentropfen, Hautcremes, Asthmasprays, Darmschaum, Augentropfen, Gelenkinjektionen … es gibt viele Medikamente, die Glukokortikoide enthalten. Hierbei ist zu beachten, dass deren Anwendung ebenfalls die Funktion der Hypophysen-Nebennieren-Achse dämpft bzw. den Knochenstoffwechsel beeinflußt. Wichtig wird es vor allem dann, wenn diese Medikamente zu lange bzw. zu häufig oder gar ohne direkte ärztliche Kontrolle zu Anwendung kommen bzw. wenn sie mit Medikamenten kombiniert werden, die den Abbau von Glukokortikoiden beeinflussen. Das bedeuet, dass Nebenwirkungen zwar seltener als bei der Dauertherapie in Tablettenform vorkommen, dass sie aber trotzdem auftreten und Ursache vermeidbarer Komplikationen sein können.

Wichtige Regeln für eine Glukokortikoidtherapie, die länger als 4 Wochen dauert

  1. Jeder Patient kennt sein Glukokortikoidpräparat und die Therapiedosis (auswendig) und trägt immer einen Notfallausweis bei sich.
  2. Die Glukokortikoid-Tabletten werden in der Regel täglich eingenommen. Bei Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall muss das Medikament nochmal eingenommen werden, am besten in doppelter Dosis. Hier besteht oft Unsicherheit. Doch im Zweifelsfall gilt: Nehmen! Besonders wichtig ist dabei: Das Medikament muss rein! Bei nochmaligem Erbrechen deswegen der nochmalige Versuch. "Jedes Loch" ist dann recht und nicht "kleckern, sondern klotzen". Je schlimmer der Durchfall oder je schlimmer das Erbrechen, desto höher die Glukokortikoiddosis. Man kann bei der Höhe gar nichts falsch machen. Im Zweifelsfall, eigentlich sogar - so früh wie möglich - intravenös, z.B. durch den Notarzt. Dafür gibt es ihn. Auch spätabends oder am Wochenende (siehe unten). Dann erst recht! Tel. 112.
  3. Achtung, Stressdosis nicht vergessen! Weil dieses Thema so wichtig ist, findet sich weiter unten dazu nochmal ein separater Abschnitt. Zusammengefasst, steigen die Cortisolspiegel bei höheren Anforderungen und fallen in Ruhe. Eine höhere Anforderung entsteht z.B. bei einer Infektion, aber auch bei psychischem oder körperlichem Stress. Sobald es also zu Fieber oder Schüttelfrost bzw. Gliederschmerzen kommt, sollte die Dosis einfach verdoppelt bis verdreifacht werden. Das gilt auch für kleinere schmerzhafte Operationen. Größere Eingriffe, wie z.B. Operationen mit Narkose, Infektionen, Unfälle mit Fremdhilfe erfordern ca. 100 mg Hydrocortison pro Tag.
  4. Immer ein Notfallpräparat mit sich führen, z.B. eine Notfallspritze. Zumindest aber zu Hause, dort am besten auch ein Extrarezept über Tabletten verwahren. Der Partner / die Eltern / die Kinder sollten über die Anwendung der Notfallspritze informiert, am besten sogar in deren Gebrauch geschult sein.
  5. Wenn der Infekt vorbei ist, wieder direkt auf die Ausgangsdosis zurückgehen.
  6. Ab einer Dosis von ca. 60 mg Hydrocortison muss Fludrocortison nicht mehr extra eingenommen werden.

Dosisreduktion / Beendigung einer langjährigen Glukokortikoidtherapie / nach Operation eines Cushing-Syndroms

Eine Dosisreduktion ist begrüßenswert, doch sollte sie nie zu ehrgeizig erfolgen. Jahrelange Glukokortikoidtherapie und dann eine Beendigung "von heute auf morgen" - das geht nicht einfach so. In der Regel sind 2 Phasen zu durchlaufen ("Glukokortikoidentzug" und "Erholung der eigenen Nebennierenfunktion"), wobei die Probleme, mit denen Ärzte und Patienten zu kämpfen haben, wiefolgt zusammengefasst werden können:

1. Verschlechterung der Grunderkrankung

Wenn Glukokortikoide zur Kontrolle einer Erkrankung eingesetzt werden, dann kann das Absetzen bzw. die Dosisreduktion andererseits zur erneuten Verschlechterung der Erkrankung führen. Die Kontrolle auf Symptome bzw. Folgen einer Grunderkrankung ist deshalb bei Dosisreduktion wichtig.

2. "Glukokortikoidentzug"

Glukokortikoide sind Stresshormone, an die sich der Körper auch gewöhnen kann. Eine Dosissteigerung wird über kurze Zeit deshalb ganz gut vertragen, manchmal sogar als euphorische Stimmungslage empfunden. Eine Reduktion führt zum Gegenteil: häufig Depression, manchmal auch Konzentrationsschwäche, Nervosität, Aggressivität bis hin zu Symptomen wie bei psychischen Erkrankungen. Körperlich wird der Entzug häufig mit Muskel- oder Gelenkschmerzen empfunden, die den empfundenen "Gliederschmerzen" bei grippalen Infekten erstaunlich stark ähneln. Gesellt sich dazu auch Müdigkeit bzw. Schlappheit sowie Frieren, dann ist dies sehr typisch für diese Phase der Dosisreduktion. Trotzdem kann in dieser Zeit die Reduktion der Glukokortikoiddosis relativ schnell erfolgen, sodass es vielleicht 3 Monate dauert, bis man zu einer Dosis kommt, ab der die bestehende "Nebennierenrindeninsuffizienz" mit ihren typischen Symptomen erscheint. Die Dosisreduktion sollte allerdings vom erfahrenen Arzt in Zusammenarbeit mit dem Patienten vorgegeben werden; eine enge Absprache ist notwendig.

3. "Erholung der eigenen Nebennierenfunktion"

Das ist die schwierigste Phase und die, die am längsten dauert - manchmal über mehrere Monate, gelegentlich sogar Jahre. Das liegt daran, dass der Reiz für den Körper, selbst mit seiner Hypophysen-Nebennierenrindenachse wieder aktiv zu werden, in der gefühlten Unterfunktion liegt: Ohne gefühlte Unterfunktion - keine Erholung der Nebennieren. Diese Phase beginnt oft ab einer täglichen Dosis von ca. 1 mg Dexamethason, 5 mg Prednisolon bzw. 25 mg Hydrocortison. Während diese Dosen noch geradeso unproblematisch sind, ist der nächste Schritt, die Reduktion auf z.B. 4 bzw. 4,5 mg Prednisolon bzw. 20 mg Hydrocortison - besonders schwer. Hier lohnt sich ein Reduktionsversuch für ca. 1 Woche. Wenn das klappt, erstmal weitermachen. Der nächste Reduktionsschritt sollte bei Patienten, die ein Cushing-Syndrom durchlaufen oder langjährig Glukokortikoide bekommen haben, niemals vor 14 Tagen, besser noch 3 oder gar 4 Wochen gemacht werden. Gelegentlich fühlt der Körper die Unterfunktion mit einer zeitlichen Latenz, das heißt nicht sofort, sondern eben erst nach einer Woche.

Typische Symptome sind wiederum "Gliederschmerzen", Appetitlosigkeit bis Übelkeit, Frieren, Schlappheit, Müdigkeit, Kraftlosigkeit. Deshalb Vorsicht, denn hier beginnt dann der Kampf für ungeduldige Patienten. Lieber langsam reduzieren. Ist in dieser 1. Woche absehbar, dass der Reduktionsversuch nicht gelingt, dann ist das überhaupt nicht schlimm. Dann kehrt man sofort zur alten Dosis zurück, wartet weitere 14 Tage, besser noch 3 oder gar 4 Wochen und greift dann nochmal an - mit frischem Mut und guter Laune natürlich! Klappt's die nächste Woche wieder nicht, dann ist das ebenfalls nicht schlimm. Dann kehrt man zur alten Dosis zurück, wartet 14 Tage, besser noch 3 oder gar 4 Wochen und greift dann nochmal an - mit frischem Mut und guter Laune natürlich! Undsoweiter. Und bitte bitte bitte, zwischendurch immer den behandelnden und erfahrenen Arzt fragen. Auch in dieser Phase gelten die wichtigen Regeln bei einer Glukokortikoidtherapie, z.B. großzügige Dosiserhöhung bei Fieber oder anderen stressigen Situationen (s.u.).

Schafft man es runter bis zu einer Dosis von 2 / 2,5 mg Prednisolon bzw. 10 mg Hydrocortison, ist das schlimmste überstanden. Die restliche Reduktion ist dann oft ein "Kinderspiel" im Vergleich zu den Problemen vorher. Ist bis hierhin die Grunderkrankung nicht zurückgekommen, bestehen gute Chancen, aus dem gröbsten heraus zu sein. Dennoch bedeutet dies auch, dass man im Rahmen von Infektionen bzw. Stress anderer Art nochmal die Glukokortikoiddosis steigern bzw. an bestimmte Bedürfnisse anpassen muss. Oft hilft ein hormoneller Stimulationstest oder Provokationstest weiter, um die Nebennierenfunktion bzw. die "Nebennierenreserve" festzustellen.

Anpassung der Hormonersatztherapie bei Stress

Patienten mit einer Nebennierenunterfunktion können sogenannte Nebennierenkrisen (Addison-Krisen) erleiden. Diese stellt eine bedrohliche Situation dar, so dass die Vorbeugung solcher Krisen außerordentlich wichtig ist. Krisen entstehen dadurch, dass der aktuelle Cortisol-Bedarf des Körpers höher ist, als durch die Ersatztherapie abgedeckt wird. Dies kann bei körperlichen Belastungssituationen (z. B. fieberhafter Infekt, Operationen, intensive körperliche Betätigung) der Fall sein. In manchen Situationen gelingt es dem Körper zudem nicht, die eingenommenen Tabletten in ausreichendem Maße aufzunehmen, z. B. bei Erbrechen oder Durchfall.

Patienten sollten daher folgende Regeln beachten:

  1. Grundsätzlich gilt: im Zweifelsfall kann stets großzügig kurzfristig die Tagesdosis erhöht werden.
  2. Bei leichter körperlicher Belastung (z. B. Erkältung, leicht fieberhafter Infekt, kleiner operativer Eingriff in örtlicher Betäubung): Erhöhung der täglichen Glucocorticoiddosis. Faustregel: Verdoppelung bis Verdreifachung der Dosis für den Zeitraum der Beschwerden (oft reichen 2-4 Tage)
  3. Bei starker körperlicher Belastung (geplante Operationen mit Narkose, größere Verletzungen, Entbindung): Gabe von 100-150 mg Hydrocortison in 5% Glucose über 24 h kontinuierlich als Infusion. Fortführung dieser Therapie, solange Intensivpflichtigkeit besteht.
  4. Um eine dauerhafte Übertherapie zu vermeiden, muss nach Abklingen der jeweiligen Belastungssituation stets wieder die Ausgangsdosis angestrebt werden. Bei kurzfristiger körperlicher Belastung (Fußballtraining, Dauerlauf, große Wanderung) können einmalig 5-10 mg Hydrocortison (bzw. ¼ oder ½ Tbl Prednisolon 5 mg) ca. 1-2 h vor Beginn der geplanten Aktivität zusätzlich eingenommen werden. Dies gilt auch bei extremer psychischer Belastung (z.B. Examensstress).
  5. Achtung: Sobald Situationen mit Erbrechen und Durchfall auftreten, ist die Aufnahme des in Tabletten-Form eingenommenen Hydrocortisons oder Prednisolons nicht mehr sicher gewährleistet. In diesen Situationen muss unbedingt (auch am Wochenende!) ärztliche Hilfe zur intravenösen Verabreichung des Hydrocortisons aufgesucht werden (z. B. 100 mg Hydrocortison über die Vene).
  6. Maßnahmen im Urlaub ohne ärztliche Hilfe:
    • 10 Tabl. Hydrocortison (oder 5 Tbl Prednisolon) in Wasser auflösen und schluckweise trinken
    • "Cortison-Zäpfchen" (z.B. Rectodelt® 100 mg (Wirkstoff Prednisolon))
    • "Cortison-Spritzen" (z.B. 100 mg Hydrocortison oder 50 mg Solu-Decortin®) selbst in den Muskel injizieren (dies sollte sich jeder Patient von seinem/seiner behandelnden Arzt/Ärztin zeigen lassen).
    Es ist sinnvoll, ein Präparat für den Notfall zur Verfügung zu haben (alternativ kann im Notfall, falls Hydrocortison nicht zur Verfügung steht, auch auf ein anderes Cortisonpräparat (z. B. Prednisolon wie Solu-Decortin H®) ausgewichen werden.
  7. Sie sollten immer den Notfallausweis bei sich führen, unter anderem da auch manche Ärzte "Cortison" für gefährlich halten - Sie es aber lebensnotwendig brauchen!
  8. Patienten, die Medikamente einnehmen, die den Cortison-Abbau im Körper beschleunigen, z.B. Antiepileptika, Mitotane, benötigen in der Substitutionstherapie und im Notfall entsprechend höhere Dosen!

Hilfreiche Internet-Adressen:

 

Autoren:
PD Dr. H. Willenberg,
PD Dr. S. Hahner,
Prof. Dr. F. Beuschlein,
PD Dr. S. Diederich,
PD Dr. M. Fassnacht.,
PD Dr. M. Quinkler,
PD Dr. F. Riepe
für den Beirat der Sektion Nebennieren, Steroide und Hypertonus