Was ist Endokrinologie?

Komplexe Steuerungsmechanismen im Körper

Das Endokrinium hat sich zusammen mit dem Nervensystem in der Evolution als zentraler Integrationsmechanismus herausgebildet, der die Kommunikation zwischen Zellen und Organen ermöglicht. Je höher die Entwicklung der Lebewesen, desto komplexere Steuerungsmechanismen sind erforderlich. Das Endokrinium ist daher unverzichtbar für Wachstum, Entwicklung, Fortpflanzung, aber auch für die Anpassung an die Umwelt und die Reaktion auf Belastungen und Stress.

Hormone als Botenstoffe

Der Terminus "endokrin" beschreibt die Freisetzung von Botenstoffen in die Blutbahn. Diese Botenstoffe werden als Hormone bezeichnet. Hormone sind Substanzen, die bereits in geringen Mengen eine außerordentliche Wirkung entfalten. Beispiele sind der Einfluss des Insulins auf den Blutzucker, die Rolle des Wachstumshormons für die Größenentwicklung und die Bedeutung der Sexualhormone für die Fortpflanzung. Damit Hormone wirken können, müssen sie mit spezialisierten Molekülen an der Oberfläche oder im Inneren der Zielzelle in Wechselwirkung treten. Diese Empfängermoleküle werden als Rezeptoren bezeichnet. Nach spezifischer Bindung des Hormons an seinen Rezeptor wird eine Signalkaskade ausgelöst, die schließlich in die typische Antwort der Zielzelle mündet.

Verteilung der Hormone nicht nur über das Blut

In den letzten Jahren hat die Endokrinologie eine wichtige konzeptionelle Erweiterung erfahren. Es ist klar geworden, dass Hormone nicht unbedingt in die Blutbahn abgegeben werden müssen, um wirksam zu werden. Vielfach konnte gezeigt werden, dass Hormone auch in der unmittelbaren Nachbarschaft der hormonproduzierenden Zelle ihre Wirkung entfalten (parakrine Kommunikation). Bei manchen Zellen wirken Hormone auch direkt auf ihre Ursprungszelle zurück (autokrine Kommunikation). Die vergleichende Endokrinologie konnte zeigen, dass bereits einfache Lebensformen die Möglichkeiten der endokrinen Signalgebung nutzen.

Nervensystem und Endokrinium verbinden alle Organe

Genauso wie alle Organe über das Nervensystem miteinander in Verbindung stehen, so sind sie auch über das Endokrinium miteinander verbunden. Dabei besteht zwischen dem Nervensystem und dem Endokrinium eine sehr enge Wechselbeziehung. So ist das Gehirn eine bedeutende Hormondrüse, die über den Hypothalamus auf alle Körperfunktionen hormonell Einfluss nimmt. Umgekehrt aber ist das Gehirn auch Zielorgan zahlreicher Hormone (z.B. Gonaden-, Schilddrüsen-, Nebennierenhormone).

Endokrinologie als wichtige Grundlage der Biologie

Da die hormonale Kommunikation ein Grundprinzip auf allen Entwicklungsstufen des Lebens ist, kann moderne Biologie ohne Einbeziehung der Ergebnisse endokrinologischer Grundlagenforschung nicht betrieben werden. Die Kenntnis der Evolution der komplexen endokrinen Systeme ist die Voraussetzung für das Verständnis der Funktionsweise von Zellverbänden und Organsystemen.

Diagnose und Therapie vielfältiger Erkrankungen

Quantitative oder qualitative Störungen des Endokriniums sind die Ursache für vielfätige Erkrankungen: Diabetes mellitus, Schilddrüsenerkrankungen und Osteoporose betreffen Millionen Menschen in Deutschland. Mehr als 10% aller Paare leiden unter ungewollter Kinderlosigkeit. Hormonstörungen können alle Organe betreffen. Zahlreiche Tumore wachsen hormonabhängig, häufig produzieren sie auch selber Hormone. Die großen Fortschritte in der Grundlagenforschung erlauben dabei dem Arzt, die Kenntnisse der Regelmechanismen des endokrinen Systems zu rationaler Diagnostik und Therapie zu nutzen. Häufigkeit und Unterschiedlichkeit endokriner Störungen erfordern auch in der Zukunft eine breite endokrinologische Grundlagenforschung und eine ausreichende Zahl endokrinologisch geschulter Ärzte.

Informationen zu hormonbedingten Krankheiten